Duesseldorf: Ein einziger Abend mit dem Gutnachtbus, den wir nie vergessen werden.

IN DER NACHT

Duesseldorf: Ein einziger Abend mit dem Gutnachtbus, den wir nie vergessen werden

Oktober 2024

©Unsplash, ohne Bezug zum Geschehen

Oktober 2024: Der Gutnachtbus ist seit Jahren eine feste Größe in der Stadt. Der Gutenachtbus der von Pater Peter Amendt gegründeten gemeinnützigen Organisation vision:teilen hält jeden Abend um 22.00 Uhr an der Dominikanerkirche/Kommödchen und um 23.30 am Hauptbahnhof. Unsere nächtliche Tour mit dem Gutenachtbus-Team werden wir nie vergessen.


Der Gutenachtbus versorgt Menschen in zwei Düsseldorfer Stadtteilen mit Essen, Kleidung, Isomatten und Decken. Ist das nötig, könnte man sich fragen, denn es gibt doch u.a. Herbergen, Tafeln, das Shelter und ein neues Quartier in der Moskauer Straße. Als unser Redaktionsteam von der Tour mit dem Gutenachtbus zurückkehrte, stellte sich diese Frage nicht mehr.


Wer ist der Gutenachbus

Wir wurden auf Instagram auf den Gutenachtbus aufmerksam und fragten Daniel von vision:teilen, ob wir mitfahren könnten. Daniel stimmte zu. Ja, es könnten auch Fotos und Filme gemacht werden. Wir wurden gebeten, um 20.45 Uhr am Treffpunkt zu sein, wo weitere Details erklärt werden würden. In der vision:teilen-Zentrale werden wir von dem bescheidenen Gründer, Pater Amendt, herzlich empfangen und gleich dem ganzen Team vorgestellt. Der derzeitige Teamleiter M. ist grundsätzlich mit einem Pressebesuch einverstanden, bittet uns aber, beim Filmen und Fotografieren sehr vorsichtig zu sein. Wir hatten ohnehin nicht die Absicht, die Hilfesuchenden zu filmen. Wir treffen die ersten Teammitglieder im Lager auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Alle sind gut gelaunt, aber auch angespannt, denn man weiß nie, wie viele Menschen dort sein werden und ob genug Essen und Kleidung vorhanden sein wird. Auch der erste Deeskalationskurs ist für das Wochenende geplant. Die angespannte Situation in der Altstadt und Vorfälle in der Vergangenheit hätten dies notwendig gemacht. 


Ausschliesslicher Einsatz von Freiwilligen

Weitere Mitglieder von M.s Team treffen ein und bringen mit, was sie im Laufe des Tages gesammelt haben. Der Gutnachtbus lebt ausschließlich von Sachspenden, die den ganzen Tag über in der Stadt für die nächtliche Aktion gesammelt werden. Zum einen stehen einige Kuchen und Desserts auf dem Tisch, die regelmäßig von einer Düsseldorfer Bäckerei gespendet werden. Süßigkeiten sind besonders geschätzt und werden von den Gästen des Gutnachtbus gerne angenommen. Gut anderthalb Stunden wird gepackt, denn es kommen immer mehr Lieferungen an. Die Brötchen werden den ganzen Tag über von Rentner*innen zubereitet und mit Wurst oder Käse belegt. Dann fährt das Team durch die Stadt und holt alles ab. Wichtig ist, dass alles schon in kleine Tüten verpackt ist, damit die Leute es leicht mitnehmen können. Auch Kaffee wird gekocht. 


Das Hauptkleiderlager befindet sich in Meerbusch und eine Auswahl wurde heute mitgebracht. Teamleiter M. ist mit der letzten Kleiderspende nicht zufrieden, denn es handelt sich um eine Kiste voller dünner Jogginghosen. Die kann bei dem Temperatursturz doch niemand brauchen. Die Verwaltung der Kleiderausgabe unterliegt überdies einer jungen Dame, die in einen langen sehr warmen Lammfellmantel gekleidet ist. Erst später werden wir verstehen weshalb; die Temperaturen sollten in dieser Nacht unter 10 Grad fallen. Sie komme aus dem Kryptobusiness erzählt sie uns, und habe den Gutenachtbus zufällig entdeckt. Sie habe sich beim Gutenachtbus beworben und sei sehr froh, seither hier helfen zu können.


Alle Damen aus dem M.-Team, die an diesem Abend im Einsatz sind, arbeiten ehrenamtlich und das schon seit Jahren. Das Team ist einmal in der Woche im Einsatz. In den anderen Nächten, und der Gutenachtbus ist jeden Abend im Einsatz, sind andere Teams im Einsatz.


Die tragende Rolle des Metzgerbus

Jetzt geht es los in Richtung Altstadt - sie wollen pünktlich sein, denn die Essensausgabe um Punkt 22 Uhr ist für viele ihrer Gäste ein fester Bestandteil des Tagesablaufs. Am Kommödchen angekommen, füllt sich der Platz schnell mit Menschen. Sie stehen Schlange, noch bevor die klapprigen Tische aufgestellt sind. Ein zweiter Bus fährt vor. Er spielt eine tragende Rolle. Es ist der sogenannte Metzgerbus eines bekannten Düsseldorfer Metzgers und Caterers. Er bringt den Gästen jeden Abend warme Fleischgerichte. Er steht mit seinen Kindern da, immer mit einem Lächeln, und bittet die Gäste, näher zu kommen, und jeder bekommt so viel, wie er will. Bezahlt wird er dafür nicht.


Bekannte Gesichter aus den Straßen Düsseldorfs tauchen auf, bekannte fifty-fifty-Verkäufer, Männer, Frauen, alle Altersgruppen, viele eher untergewichtig. Bald ist der Platz erfüllt vom Geruch köstlicher warmer Speisen, Kaffee und Gelächter. Jeder darf essen, was er will und so viel er will. Die Teammitglieder haben ihre Stammgäste und wissen, was sie mögen. Das Essen wird in Tüten verpackt, damit man auch am nächsten Tag noch etwas hat.


Natürlich fehlt es an warmer Kleidung

Bei der Ausgabe der Kleidung wird schnell klar, dass es den Menschen an warmer Kleidung fehlt. Einige haben Schuhe mit Löchern und die meisten frieren. 


Warum sind diese Menschen so spät auf der Straße?

Die Notunterkünfte sind überfüllt, erklärt uns ein Teammitglied. Und in den Unterkünften herrschen oft so strenge Regeln, dass die Menschen psychisch überfordert sind. Ein großes Problem ist, dass die Notunterkünfte oft schon um 20.00 Uhr schließen. Für alle, die danach kommen, ist kein Platz mehr. Manche fühlen sich bedroht, es kommt zu Aggressionen oder Diebstählen. Sehr schlimm ist auch, dass die Heime keine Hunde aufnehmen. Ein Teammitglied erzählt uns, dass Menschen manchmal sehr leicht in die Obdachlosigkeit abrutschen, weil sie zum Beispiel plötzlich die Miete nicht mehr bezahlen können. 


Ein Zustrom von Menschen, denen es an allem fehlt

In den letzten Jahren gibt es aber einen Zustrom von Menschen nach Düsseldorf, denen es an allem mangelt, sagt man uns. Ja, das ist genau das, was man an diesem Abend hier sehen kann. Die Menschen bitten um alles, Schlafmatten, Decken, Rucksäcke, ein unendlicher Bedarf. Wenn ein Gast eine warme Jacke bekommt, hören wir: 'Danke Fräulein, danke, danke, danke Fräulein'.


Wie ist das finanziell machbar?

Nichts davon wird von irgendeiner Behörde finanziell unterstützt. Pater Amendt finanziert seinen Gutenachtbus komplett selbst. Er und sein Team sind auf Spenden und das Engagement von Freiwilligen angewiesen. Teamleiter M. erzählt, dass sie letztes Jahr mit einer Aktion und dem Verkauf von Weihnachtsbäumen versucht haben, etwas Geld für den Metzgerbus zu sammeln. Gereicht habe das natürlich noch lange nicht. 


Überfluss und Überproduktion

Düsseldorf ist eine Stadt der Kultur, der Kunst der Mode. Es ist auch eine Stadt der glanzvollen Events, Kultur und Kunstvernissagen, des Überflusses - die Überproduktion ist in meisten Geschäften nicht zu übersehen

Wie viele Schuhe, Taschen und Kleider kann man eigentlich besitzen? Die Realität der Menschen auf der Straße sieht ganz anders aus. Für sie geht es um ein einziges Paar Schuhe, eine einzige warme Jacke. Für uns ist es ein einziger Abend im Gutenachtbus, den wir nie vergessen können.


Alle weiteren Informationen darüber, wie Sie den Gutenachtbus unterstützen können, was aktuell benötigt wird, finden Sie unter:


Gutenachtbus

vision:teilen - eine franziskanische Initiative gegen Armut und Not - e.V.
Schirmerstrasse 27
40211 Düsseldorf
Deutschland

https://gutenachtbus.org/

Der Gründer des Gutenachtbuses Pater Amendt mit Sandra im Lager des Gutenachtbuses

2. Oktober 2024 ©AM

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